Wege ins Erzgebirge
Ilona Schmocker,
aus der Schweiz zugezogen.
Warum bist du ins Erzgebirge gezogen?
Wegen meiner Mama. Sie ist vor drei Jahren aus der Schweiz ins Erzgebirge „ausgewandert“ – der Liebe wegen. Nun bin ich mit Mann und zwei Kindern hinterher.
Welche Dinge haben sich hier für dich positiv entwickelt?
Das Beste überhaupt: Wir konnten unseren Pferdehof aufbauen, den ich jetzt mit meiner Mama in Hopfgarten führe. Die Möglichkeit sahen wir in der Schweiz nicht – zum einen, weil es schon so viele gibt, zum anderen war es finanziell unmöglich.
Wie würdest du Fremden das Erzgebirge beschreiben?
Das Erzgebirge ist sehr hügelig und überall ist Wald – den wir übrigens gern zum Reiten oder für Spaziergänge mit dem Hund nutzen.
Hand aufs Herz – was stört dich hier?
Mich nervt der begrenzte ÖPNV und die relativ wenigen Möglichkeiten, mal auszugehen.
Kristin Kilias,
aus Marburg zugezogen.
Warum hast du dich für das Erzgebirge entschieden?
Hauptgrund ist mein Job. Ich wollte von Marburg wieder nach Sachsen zurück, denn ich stamme aus Leipzig. Das Jobangebot hat mich überzeugt. Es ist eine großartige Aufgabe und ich kann in der Region etwas mitgestalten.
Was hat dich bei deinem Ankommen im Erzgebirge positiv überrascht?
Ich habe Annaberg-Buchholz viel städtischer erlebt als vorher gedacht. Das kulturelle Angebot ist gut. Ich kannte das Erzgebirge aus Winterurlauben als Kind und hatte den Wald als sehr düster in Erinnerung. Mein Bewerbungsgespräch hatte ich im Herbst und alles war so farbenfroh. Ich bin happy hier und gekommen, um zu bleiben.
Was bedeutet Heimat für dich?
Dass ich mich nicht erklären muss. Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl.
Dein erzgebirgisches Lieblingswort?
Mehrere. Kaaste ümering mich pfeiffen. Und „Hitsche“ find ich toll.*
*„Kannst du mir den Buckel runterrutschen.“ und „Fußbank“
Was stört dich hier?
Mitunter, dass es immer hoch und runter geht. Jetzt brauch ich wieder ein Auto.
Oleksandra Kushnir,
aus der Ukraine zugezogen.
Was hat dir hier dein Ankommen erleichtert?
Meine Freunde, die ich schon hatte, bevor wir kamen. Ich stelle Keramik in den Karpaten her und beim Töpferfest in Annaberg- Buchholz lernte ich sie kennen. Generell habe ich bisher hier nur nette Menschen getroffen.
Was bedeutet Heimat für dich?
Für meinen Sohn und mich fühlt sich es hier schon sehr nach einem Zuhause an. In der Ukraine habe ich für die nächsten Jahre keine Zukunft.
Was gefällt dir hier?
Ich mag die Städte, die nicht zu groß sind und unserer Heimatstadt ganz ähnlich sind – auch der Gebirgslandschaft wegen. Wir würden gerne bleiben.
Franziska Mißler,
aus Tansania zurück im Erzgebirge.
Warum bist du ins Erzgebirge zurückgekehrt?
Meine Eltern leben hier, meine Schwester in Mannheim. Ich habe eine Entscheidungsmatrix gemacht, um herauszufinden, wo meine Prioritäten am ehesten erfüllt werden. Nach Deutschland zurück, das war klar. Die echte Chance auf eine Wohnung und einen Kindergartenplatz war der ausschlaggebende Punkt für die Heimat.
Was gibt dir das Gefühl, wieder angekommen zu sein?
Ich genieße die Natur und Familienzeit sehr. Früher sah ich meine Eltern einmal im Jahr, nun fast täglich. Und dennoch sage ich: home is where your heart is. Bei mir schlagen drei Herzen in der Brust, bin in Leipzig geboren, hatte eine wunderschöne Kindheit im Erzgebirge und lebte in Tansania.
Welche Träume kannst du im Erzgebirge verwirklichen?
Ich bekam den Job, den ich mir gewünscht habe und auch mein Kind ist glücklich und angekommen. Der Kindergarten ist super und in der Freizeit hab ich mehr Zeit als früher, wo ich auf der Kaffeeplantage komplett eingespannt war.
Was fehlt dir im Erzgebirge?
Die Offenheit der Leute fehlt mir. Freunde zu finden, sich ein soziales Netz aufzubauen, ist nicht leicht. Vor allem mit meinem Blick auf die Welt, so wie ich Internationalität und Offenheit kennengelernt habe.
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René Keil,
Rückkehrer ins Erzgebirge.
Warum bist du wieder zurück im Erzgebirge?
Ich habe mich vor zwölf Jahren auf eine kulturelle Reise begeben, die genau hier startete. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Alten Brauerei studierte ich in Görlitz Soziale Arbeit und Kulturmanagement. Als Kulturmanager ergaben sich Stationen in Prag, Hamburg, Dresden, Liberec. Und dann reifte der Gedanke: Es können doch nicht alle hier aus der Heimat wegziehen. Ich habe viele Erfahrungen woanders gesammelt – diese nun in der Heimat einzubringen, ist cool.
Welchen Rat würdest du Unentschlossenen geben?
Man sollte auf seinem Weg unbeirrt bleiben, bei sich bleiben, um damit der anfänglichen eigenen Skepsis entgegenzuwirken.
Wie würdest du das Erzgebirge kurz beschreiben?
Es ist ein besonderer Landstrich mit kulturellen Eigenheiten, ein schönes Gebirge und eine Grenzregion. Die Grenze ist eine Chance und im Sinne der Internationalität eine Bereicherung.
Was stört dich am Erzgebirge?
Dieses: „Das haben wir doch schon immer so gemacht.“ Und die Erzgebirger stellen oft ihr Licht unter den Scheffel. Heimat braucht man nicht verleugnen – im Gegenteil: Heimatgefühl bereichert.
Nadine Brenner,
zugezogen aus Merseburg.
Warum bist du ins Erzgebirge gezogen?
Mein Mann ist gebürtiger Marienberger. Wir wohnten vorher in der Region Merseburg, er wollte näher an seine Eltern ran. Wenn ich heute auf unserem Balkon stehe und Richtung Wald schaue, weiß ich: Genau das hat ihm gefehlt.
Fühlst du dich im Erzgebirge angekommen?
Heute ja. Es war aber anfangs eine große Umstellung. Aus dem Großraum Leipzig kommend, war ich verwöhnt von der Infrastruktur, den langen Ladenöffnungen oder der Arztsituation. Inzwischen habe ich mir mein Umfeld wieder geschaffen, und auch das Kind ist gut im Kindergarten angekommen.
Was bedeutet Heimat für dich?
Heimat ist ein Gefühl. Wenn meine Kinder sich wohlfühlen, tu ich es auch. Und die Kinder genießen es, das Rausgehen und die Natur vor der Tür zu haben. Sie sind komplett angekommen und das ist das Wichtigste.
Natalie Senf,
aus dem Ruhrgebiet ins Erzgebirge.
Warum bist du ins Erzgebirge gezogen?
Wegen des Jobs. Ich habe 17 Jahre als Opernsängerin gearbeitet und 2014 im theaterpädagogischen Bereich angefangen. Und ich war schon immer politisch interessiert. Mit dem Projekt „Tresen, Themen, Temperamente“, bei dem es um gelebte Demokratie geht, habe ich die Chance, beides zu vereinen.
Was spricht für das Erzgebirge?
Mir war das Erzgebirge durch Auftritte bekannt. Mir gefällt, wie viele Menschen sich aktiv in die Gesellschaft, ins Vereinsleben einbringen, das ist hier beachtlich. Man kann konkret mitgestalten, weil die Wege zur Kommunalpolitik so kurz sind.
Das Erzgebirge in einem Satz ...?
Eine über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft mit Bergbautradition, die ich so ähnlich aus dem Ruhrgebiet kenne.
Hand aufs Herz – was stört dich?
Mich stört, dass es hier keinen gefestigten Demokratiebegriff gibt. Dadurch fällt es hier antidemokratischen Kräften leicht, Begriffe in ihrer Bedeutung zu verschieben.
Marianne Fournier-Roch,
zugezogen aus Frankreich.
Warum bist du ins Erzgebirge gezogen?
Ich lernte meinen „Erzgebirgsmann“ in einem Pub in der Champagne kennen. Wir lebten dann in Paris und fragten uns, wo wir einen gemeinsamen Platz zum Leben finden, der nicht so teuer ist wie die Großstadt. Schließlich stand mein Mann vor der Entscheidung, das Ingenieurbüro seines Vaters in Annaberg-Buchholz zu übernehmen.
Was hat dich von Beginn an positiv beeindruckt am Erzgebirge?
Die Natur ist wunderschön. Wir haben hier ein qualitativ fabelhaftes Leben. Die Dichte an Unternehmen beeindruckt mich ebenso wie die Erzgebirger, die immer ihr Bestes geben.
Was stört dich am Erzgebirge?
Bekanntschaften brauchen Zeit. Anfangs dachte ich, es ist so, weil ich Ausländerin bin und noch nicht perfekt Deutsch kann. Heute weiß ich, dass es nicht so ist und manchmal selbst Leute aus einem anderen Ort im Erzgebirge Zeit brauchen, um Kontakte zu knüpfen. Dafür aber sind die Erzgebirger ehrliche Menschen.
Fühlst du dich angekommen?
Ja, das Erzgebirge ist teilweise Heimat geworden. Wenn ich nach Frankreich gehe, spüre ich, wie sehr deutsch
(Inter-)nationalität meets Erzgebirge
Du hast dich für das Erzgebirge entschieden und der Umzug ist vollbracht? Die ersten Wochen oder Monate am neuen Arbeits- und Lebensort liegen hinter dir und du fragst dich: „Wie lerne ich Land und Leute kennen?“ Dann komm zum regelmäßig stattfindenden „Welcome-Hutzn“ – wechselnde Orte und Aktionen, aber immer hERZlich und offen für alle Rückkehrer, Zuwanderer, Noch-Unschlüssigen und allgemein alle, die Lust auf neue Kontakte haben. Organisiert vom Welcome Center Erzgebirge.
Text: Sabine Schulze-Schwarz
Fotos: Erik Wagler